Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.

Kommentar

  • In der Tat verlaufen gewisse Fronten zwischen beiden Berufsgruppen, allerdings muß man der Stellung nahme des deutschen Anwaltsvereins DAV konzidieren, daß dessen Stellungnahme – bei durchaus berechtigter berufspolitischer Nuancierung – letztlich nicht unausgewogen ist. Die Kritik am ,Certificate‘-Curriculum richtet sich dabei vor allem gegen den Umfang von 120 h. Stundenansätze in Universitätscurricula sind immer etwas problematisch, da ihre jeweilige Berechnungsgrundlage mit angegeben werden sollte. Da gibt es nämlich ,lesson hours‘, hours worload,Semesterwochenstunden und dergl. mehr. Hier scheint der ,Hase im Pfeffer zu liegen‘ und es ist ein durchaus berechtigtes Ansinnen hierüber zu sprechen, da 120 h workload für das an Art. 24 UPC-A ausgerichtete Curriculum sicherlich viel zu wenig wäre. Auch erkennt der DAV rechtswissenschaftliche Abschlüsse wie Maste, Bachelor und natürlich Staatsexamen – im Gegensatz zu der völlig extremistischen reinen Lobbyposition von CCBE – ganz selbstverständlich an. Auch weist der DAV völlig zu recht darauf hin, daß das Übereinkommen keine Ermächtigungsgrundlage für eine ,Großvaterregelung‘ beliebig großzügiger Art bietet. Würde das Administrative Comittee dies ignorieren – was ich mir nicht vorstellen kann -, so besteht die Gefahr, daß das an den Vertrag gebundene Gericht die auf einer solchen ungesetzlichen Basis erteiltn Zulassungen nicht anerkennen wird, ein ungeheurer Vertrauenverlust für das neue System, den es unbedingt zu vermeiden gilt! Ich denke daher der DAV-Vorschlag stellt damit eine gute Diskussionsposition dar.
    Im Gegensatz dazu sind die überwiegend von Patentanwälten – geboren aus dem menschlich durchaus verständlichen Wunsch am Anfang möglichst viel geschenkt zubekommen – initiierten Stellungnahmen durchweg ,extremistisch‘ und kommen für die Startphase letztlich auf ein Leerlaufen der Bestimmung des Art. 48 (2) EPGÜ aus, was klar ,gegen das Gesetz‘ ist und daher nicht zu verantwortbar wäre. Hier scheinen insbesondere sogenannte ,alte Meister‘ des Patentanwaltsberufsstandes in Europa die durch Erfahrung erworbenen Fähigkeiten massiv zu überschätzen und verwechseln ein patentrechtliches Einspruchs(beschwerde)verahren mit einem ungleich weitere Freiheiten bietenden, aber auch weit mehr Rechtskenntnisse erfordernden Zivilprozeß, den man mit der entsprechenden Qualifikation ja uneingeschränkt für Dritte führen darf! Diese ,alten Meister‘ zeigen entgegen den Erfordernissen offenbar keine Bereitschaft, noch etwas für die Erweiterung ihrer Rechtskenntnisse zu tun. Nun denn: Dann sollen sie sich auch mit den ja für solche Fälle vorgesehenen Mitwirkungsmöglichkeiten zufrieden geben!
    Außer den beiden genannten Berufsgruppen der Patent- und Rechtsanwälte haben sich im Konsultationverfahren auch noch ernst zu nehmende unverdächtige, .h. Berufspolitisch neutrale Institutionen in Gestalt verschiedener Universitäten und Rechtswissenschaftler geäußert, deren Stellungnahmen zwar nicht unbedingt öffentlich zugänglich sind, gleichwohl aber einiges Gewicht haben. Vielleicht liegt ja in diesen eher ,neutralen‘ Positionen der Schlüssel zu einer gesetzeskonformen und nicht rein lobby-orientierten Lösung der Angelegenheit.

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