Zwischenverallgemeinerung in der Rechtsprechung des BGH

Zwischenverallgemeinerung in der Rechtsprechung des BGH (Anmerkung zu BGH, Urteil vom 17. Februar 2015 – X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung)

Der Leitsatz des Nichtigkeitsberufungsurteils BGH, Urteil vom 17. Februar 2015 – X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung wurde bereits früher in diesem Blog dargestellt.

Der Leitsatz verdeutlicht, dass die Judikatur des Bundespatentgerichts und Bundesgerichtshofs, nach der nicht ursprungsoffenbarte einschränkende Anspruchsmerkmale eine Patentanspruchs nicht notwendig zur Nichtigerklärung des Patents führen müssen, sofern sie nicht zu einem Aliud gegenüber der in der Anmeldung offenbarten Erfindung führen, auch auf den deutschen Teil eines europäischen Patents Anwendung findet. Der unentrinnbaren Falle, die die Spruchkörper des EPA in einem solchen Fall sehen, würde der Patentinhaber im deutschen Rechtsbestandsverfahren entrinnen.

Ein nicht zum Leitsatz erhobener, aber dennoch nicht minder wichtiger Punkt der Entscheidung betrifft die unzulässige Erweiterung in Form von Zwischenverallgemeinerungen (BGH, a.a.O., Wundbehandlungsvorrichtung, Rn. 29-32)

Anders als die Spruchkörper des EPA nahm der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit eine sehr liberale Position zur Zulässigkeit von Einschränkungen eines Patentanspruchs ein, wenn nur eines von mehreren in Kombination offenbarten Merkmalen eines Ausführungsbeispiels in einen Patentanspruch aufgenommen wurde (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16. 10. 2007 – X ZR 226/02 Sammelhefter II; BGH, Urteil vom 15. 11. 2005 – X ZR 17/02 Koksofentür). Die Aufnahme auch nur einzelner Merkmale eines Ausführungsbeispiels erschien selbst dann zulässig, wenn die in den Patentanspruch neu aufgenommenen Merkmale nur im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen offenbart waren, die mit den in den Patentanspruch aufgenommenen Merkmalen in einem Funktionszusammenhang standen.

Im Gegensatz zu dieser Praxis des Bundespatentgerichts und Bundesgerichtshofs etablierten die Beschwerdekammern des EPA eine restriktivere Judikatur, nach der die isolierte Aufnahme nur eines von mehreren in Kombination offenbarten Merkmalen in einen Patentanspruch häufig als unzulässige Zwischenverallgemeinerung angesehen wurde (vgl. etwa T 273/10 ; T 879/09; T 1118/10 ).

In der Wundbehandlungsvorrichtung-Entscheidung vertrat der Bundesgerichtshof nunmehr eine restriktivere Auffassung zur Frage der Zwischenverallgemeinerung (BGH, a.a.O., Wundbehandlungsvorrichtung, Rn. 31). Das Merkmal eines Verbinders, das in Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents enthalten war, war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur als Element einer Vorrichtung offenbart, in der der Verbinder den konkret beschriebenen Zweck erfüllt, die Anbindung eines mehrlumigen Schlauchs an die Wundstelle zu gewährleisten und eine Druckerfassung zu ermöglichen. Darin sah der BGH einen untrennbaren Zusammenhang der Merkmale des Verbinders mit den weiteren Merkmalen eines mehrlumigen Schlauchs und eines Druckerfassungsmittels. Erst die Aufnahme dieser Merkmale in die Patentansprüche, mit denen die Nichtigkeitsbeklagte das Patent hilfsweise verteidigte, beseitigte die nach Auffassung des X. Senats bestehende unzulässige Erweiterung.

Während der Bundesgerichtshof in der Frage, ob nicht ursprungsoffenbarte einschränkende Anspruchsmerkmale eine unentrinnbare Falle für den Patentinhaber bilden, eine deutlich vom EPA unterschiedene Position einnimmt, könnte sich nach dem Wundbehandlungsvorrichtung-Urteil bei der Beurteilung von Zwischenverallgemeinerungen eine Annäherung an die striktere Praxis der Spruchkörper des EPA andeuten.

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