OLG Karlsruhe, 6 U 109/07: Zur Nichtigkeit des Lizenzvertrages wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit

OLG Karlsruhe Urteil vom 23.7.2008, 6 U 109/07

Leitsatz:

Der Lizenznehmer ist dem Lizenzgeber zur Lizenzzahlung verpflichtet,
solange das Patent nicht rechtskräftig für nichtig erklärt ist und von
den Mitbewerbern respektiert wird, so dass dem Lizenznehmer durch die
Lizenz eine vorteilhafte Stellung erwächst. Das gilt nicht nur in den
Fällen, in denen das Patent mangels erfinderischer Leistung oder wegen
fehlender Neuheit nicht schutzfähig ist, sondern auch dann, wenn es
mangels Ausführbarkeit der technischen Lehre zu Unrecht erteilt ist.

BGH, I ZR 204/05 – Musical Starlights: Zum Aufführungsrecht

BGH, Entscheidung vom 03.07.2008 – I ZR 204/05 – Musical Starlights

Leitsätze:

Eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne des § 19 Abs. 2 Halbs. 2 UrhG
liegt in allen Fällen vor, in denen ein gedanklicher Inhalt durch ein
für das Auge oder für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel im Raum
dargeboten wird. Die Darbietung eines gedanklichen Inhalts setzt
lediglich voraus, dass nicht nur der Eindruck von zusammenhanglos
aneinandergereihten Handlungselementen entsteht, sondern ein sinnvoller
Handlungsablauf erkennbar wird.

Eine bühnenmäßige Aufführung des geschützten Werkes ist gegeben, wenn
dem Publikum durch das bewegte Spiel der gedankliche Inhalt des
aufgeführten Werkes vermittelt wird. Insoweit ist es nicht
erforderlich, dass der Handlungsablauf des aufgeführten Werkes
insgesamt oder zumindest großteils vermittelt wird; vielmehr reicht es
aus, wenn der gedankliche Inhalt eines Bestandteils dieses Werkes
erkennbar wird.

Eine bühnenmäßige Aufführung des geschützten Werkes setzt eine
Darstellung der dem benutzten Werk oder seinen Bestandteilen
eigentümlichen Begebenheiten voraus. Handelt es sich bei dem
geschützten Werk um die eigenschöpferische Bearbeitung eines
gemeinfreien Stoffes, trägt der Aufführende die Darlegungslast für
seine Behauptung, bei der Aufführung lediglich nicht eigenschöpferisch
bearbeitete und daher gemeinfreie Teile des Werkes übernommen zu haben.


United States Court of Appeals – Bilski: Patentierungsausschluß eines Geschäftsverfahrens

United States Court of Appeals, Entsch. v. 30. Oktober 2008, 2007-1130 – Bilski

Ein Verfahren zum Risiko-Hedging im Rohstoffhandel ist von der Patentierung ausgeschlossen.

„At present, however, and certainly for the present case, we see no need for such a departure and reaffirm that the machine-or-transformation test, properly applied, is the governing test for determining patent eligibility of a process under § 101.„

„To be sure, a process tied to a particular machine, or transforming or reducing a particular article into a different state or thing, will generally produce a „concrete“ and „tangible“ result as those terms were used in our prior decisions. But while looking for „a useful, concrete and tangible result“ may in many instances provide useful indications of whether a claim is drawn to a fundamental principle or a practical application of such a principle, that inquiry is insufficient to determine whether a claim is patent-eligible under § 101. And it was certainly never intended to supplant the Supreme Court’s test. Therefore, we also conclude that the „useful, concrete and tangible result“ inquiry is inadequate and reaffirm that the machine-or-transformation test outlined by the Supreme Court is the proper test to apply.“

BPatG, 28 W (pat) 16/08: Zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit konturloser Farbzusammenstellungen

BPatG, Leitsatzentscheidung vom 25.7.2008 – 28 W (pat) 16/08 – Orange/Schwarz III

Eine konturlose Farbkombination, genügt auch bei eindeutiger und dauerhafter Beschreibung der beanspruchten Farben weder den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit noch dem markenrechtlichen Bestimmtheitsgebot, wenn sie in der Markenbeschreibung lediglich Bandbreiten für die Mengenanteile der Farben vorsieht (z. B. 55 % bis 95 % Orange, 5 % bis 45 % Schwarz). Denn eine solche Markenbeschreibung führt zu einer unbestimmten Zahl von konkreten Farbzusammenstellungen, die dem Markenschutz nicht zugänglich ist.

-> Graphische Darstellbarkeit einer Farbmarke, Farbmarken

Softwarepatente: Vorlagefragen der EPA-Präsidentin

Auf Grundlage des Art. 112(1)(b) EPÜ hat die Präsidentin des Europäischen Patentamts, Alison Brimelow, verschiedene Vorlagefragen zur Patentierbarkeit von Software der Großen Beschwerdekammer vorgelegt (siehe: Pressemitteilung des EPA). Der Volltext der Vorlagefragen findet sich hier.

Die Präsidentin zielt mit ihren Vorlagefragen auf eine europaweite Harmonisierung der Rechtsprechung zu Softwarepatenten („computerimplementierten Erfindungen“) ab (Abschnitt 1: „It is clear that the European Patent Office should have the leading role in harmonising the practice of patent offices within Europe.“). Ein ähnlicher Vorstoß zur Harmonisierung der Rechtsprechung der europäischen Gerichte ist 2005 gescheitert, nachdem ein von der Kommission ausgearbeiteter Entwurf einer EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen vom Europäischen Parlament zurückgewiesen wurde.

Vorlagefragen (mit eigener Kommentierung des Autors):

QUESTION 1

CAN A COMPUTER PROGRAM ONLY BE EXCLUDED AS A COMPUTER PROGRAM AS SUCH IF IT IS EXPLICITLY CLAIMED AS A COMPUTER PROGRAM?

Diese Vorlagefrage zielt darauf ab, ob Software nur dann vom Patentierungsauschluß betroffen ist, wenn sie „als solche“, also losgelöst von weiterem technischen Bezug beansprucht wird.

QUESTION 2

(A) CAN A CLAIM IN THE AREA OF COMPUTER PROGRAMS AVOID EXCLUSION UNDER ART. 52(2)(C) AND (3) MERELY BY EXPLICITLY MENTIONING THE USE OF A COMPUTER OR A COMPUTER-READABLE
DATA STORAGE MEDIUM?

Vorlagefrage 2(A) ist in Zusammenhang mit Vorlagefrage 1 zu sehen und ist darauf gerichtet, ob Software bereits dadurch dem Patentierungsausschluß entgehen kann, daß sie nicht „als solche“ beansprucht wird, sondern z.B. in Zusammenwirkung mit einem Computer (bzw. Computersystem), der dazu eingerichtet ist, die Software auszuführen, oder einem Speichermedium, das die Software trägt. Die Frage bezieht sich also darauf, ob die Technizität des Computers bzw. des Datenträgers alleine bereits ausreicht, um das Patentierungsverbot zu vermeiden.

(B) IF QUESTION 2 (A) IS ANSWERED IN THE NEGATIVE, IS A FURTHER TECHNICAL EFFECT NECESSARY TO AVOID EXCLUSION, SAID EFFECT GOING BEYOND THOSE EFFECTS INHERENT IN THE USE OF A COMPUTER OR DATA STORAGE MEDIUM TO RESPECTIVELY EXECUTE OR STORE A COMPUTER PROGRAM?

Diese Frage greift den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Begriff des „technischen Beitrags“ auf, der auch im Zentrum des EU-Richtlininienentwurfs stand. Der „Beitragsansatz“ führt dazu, daß auch Merkmale, die an sich vom Patentierungsausschluß betroffen sind (wie z.B. Algorithmen und eben Computersoftware) als Teil eines Patentanspruchs bei der weiteren Prüfung der Patentfähigkeit berücksichtigt werden können. Bei der heute üblichen Gesamtbetrachtung des Anspruchsgegenstands werden solche vom Patentierungsausschluß betroffenen Anspruchsmerkmale bei der Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht völlig ausgeblendet, sondern insoweit berücksichtigt, als sie einen technischen Beitrag liefern. Damit kann beispielsweise ein an sich bekanntes technisches Gerät (gewöhnlicher Computer, bekannter Roboter) dadurch patentfähig werden, daß er mit vom Patentierungsausschluß betroffenen, innovativen Merkmalen zusammenwirkt (innovative Software bzw. neuer Steuerungsalgorithmus).

QUESTION 3

(A) MUST A CLAIMED FEATURE CAUSE A TECHNICAL EFFECT ON A PHYSICAL ENTITY IN THE REAL WORLD IN ORDER TO CONTRIBUTE TO THE TECHNICAL CHARACTER OF THE CLAIM?

(B) IF QUESTION 3 (A) IS ANSWERED IN THE POSITIVE, IS IT SUFFICIENT THAT THE PHYSICAL ENTITY BE AN UNSPECIFIED COMPUTER?

(C) IF QUESTION 3 (A) IS ANSWERED IN THE NEGATIVE, CAN FEATURES CONTRIBUTE TO THE TECHNICAL CHARACTER OF THE CLAIM IF THE ONLY EFFECTS TO WHICH THEY CONTRIBUTE ARE INDEPENDENT OF ANY PARTICULAR HARDWARE THAT MAY BE USED?

Diese Vorlagefragen zielen darauf ab, ob der geforderte technische Beitrag auch im Umfeld des Computers als solchem liegen kann. Beispielsweise könnte ein technischer Effekt auch in einer innovativen Speicherverwaltung (Frage B) oder in Eigenschaften einer Benutzeroberfläche (Frage C) eines Computers als Schnittstelle zwischen Mensch-Computer gesehen werden.

Frage A ist wohl so zu verstehen, daß zwischen Computern und der „realen Welt“ unterschieden werden könnte. Diese Frage mag sonderbar anmuten, bringt den Streit um die Patentierbarkeit von Software aber auf den Punkt: Gehört der Computer denn nicht zur „realen Welt“? Wo sind die grenzen der realen Welt? Ist die Anzeige auf dem Display meiner Waschmaschine real? Ist der Standby-Screen meines Mobiltelefons real? Sind die Buttons meines Internet-Browsers und die Slider am Window-Rand real? Ist S60 5th Edition realer als S60 3rd Edition, nur weil die Buttons auf dem Handybildschirm jetzt touch-sensitiv sind? …

QUESTION 4

(A) DOES THE ACTIVITY OF PROGRAMMING A COMPUTER NECESSARILY INVOLVE TECHNICAL CONSIDERATIONS?

(B) IF QUESTION 4 (A) IS ANSWERED IN THE POSITIVE, DO ALL FEATURES RESULTING FROM PROGRAMMING THUS CONTRIBUTE TO THE TECHNICAL CHARACTER OF A CLAIM?

(C) IF QUESTION 4 (A) IS ANSWERED IN THE NEGATIVE, CAN FEATURES RESULTING FROM PROGRAMMING CONTRIBUTE TO THE TECHNICAL CHARACTER OF A CLAIM ONLY WHEN THEY CONTRIBUTE TO A FURTHER TECHNICAL EFFECT WHEN THE PROGRAM IS EXECUTED?

Nach einigen Entscheidungen sowohl der europäischen als auch der deutschen Rechtsprechung reicht es für das Vorliegen eines technischen Beitrags bereits aus, daß bei der Erlangung des Anspruchsgegenstands technische Überlegungen eine Rolle spielten. Die Frage ist hier: Liegen denn der Entwickung eines Computerprogramms nicht auch technische Überlegungen zugrunde? Ist die Tätigkeit des Programmierers denn keine technische Tätigkeit? Eine Verneinung von insbesondere Frage (C) würde quasi zu einer Aufgabe des Patentierungsausschlusses von Computerprogrammen führen. Denn würden Überlegungen beim Softwaredesign, die selbst keinen technischen Effekt liefern, als technischer Beitrag betrachtet werden, so würde damit der Patentierungsausschluss des Art. 52 (2) EPC von Computerprogrammen als solchen stark aufgeweicht werden. Auch die weiteren Patentierungsausschlüße wären betroffen. Beispielsweise würde ein in Sofware kodiertes Geschäftsverfahren bereits dadurch patentfähig, daß es auf einer innovativen Software beruht. Vom Patentierungsauschluß betroffen blieben dann lediglich Geschäftsverfahren als solche und zwar innovative Geschäftsverfahren, die lediglich auf gewöhnlicher Software basieren, die keine besonderen Überlegungen benötigt.

BGH, I ZR 208/05 – KLACID PRO: Künstliche Marktabschottung

BGH, Urt. v. 5. Juni 2008 – I ZR 208/05 – KLACID PRO

Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn ein
Arzneimittel im Ausfuhrmitgliedstaat nur mit einem Dosierungshinweis
und im Einfuhrmitgliedstaat unter verschiedenen Marken mit
unterschiedlichen Dosierungsanleitungen vertrieben wird und der
Parallelimporteur dadurch von einem der Teilmärkte ausgeschlossen wird,
die durch den Vertrieb des identischen Arzneimittels mit verschiedenen Marken und Dosierungshinweisen im Einfuhrmitgliedstaat bestehen.

BGH, I ZR 120/06 – Räumungsfinale: Keine zeitliche Begrenzung einer Verkaufsförderungsmaßnahme

BGH, I ZR 120/06, Entscheidung vom 11.09.2008 – Räumungsfinale

Weder aus der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG noch aus dem
Irreführungsverbot lässt sich eine Verpflichtung herleiten, eine
Verkaufsförderungsmaßnahme zeitlich zu begrenzen. Auch § 4 Nr. 4 UWG
verpflichtet den Gewerbetreibenden nur, auf eine bestehende zeitliche
Begrenzung hinzuweisen.

BPatG 3 Ni 48/06 (EU) – Ionenaustauschverfahren: Zum Antragsgrundsatz im Nichtigkeitsverfahren und zum Kostenrisiko des Patentinhabers

BPatG, Entscheidung vom 29.4.2008 – 3 Ni 48/06 (EU)  (Leitsätze)

Zum Antragsgrundsatz im Nichtigkeitsverfahren und zum Kostenrisiko des Patentinhabers bei späterer beschränkter Verteidigung des Patents:

1. Verteidigt der Patentinhaber das Streitpatent im Nichtigkeitsverfahren mit Anspruchssätzen gemäß Haupt- und Hilfsanträgen, so bringt er hiermit seinen Willen zum Ausdruck, in welcher Reihenfolge und in welcher Form er das Streitpatent beschränkt verteidigen will und eine Prüfung wünscht. Es besteht deshalb kein Anlass für die Annahme, dass er nur einzelne Patentansprüche aus dem Anspruchssatz gemäß Hauptantrag vorrangig vor dem Hilfsantrag verteidigen will.

2. Ebenso wie bei einer unbedingten Selbstbeschränkung des Streitpatents, welche der Kläger nicht angreift, ist auch eine hilfsweise erklärte und vom Kläger nicht angegriffene Beschränkung des Streitpatents für das Gericht bindend und die Sachprüfung auf die Frage der Zulässigkeit der Beschränkung reduziert.

3. Wird das Streitpatent erstmals im Verlauf des Nichtigkeitsverfahrens mit neugefassten Patentansprüchen beschränkt verteidigt und erklärt sich der Kläger hiermit sofort einverstanden, so trägt nicht der Kläger entsprechend den Kostengrundsätzen der §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die insoweit anfallenden Verfahrenskosten, sondern der Beklagte aufgrund der gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG heranzuziehenden Billigkeitsgründe.
Dies gilt unabhängig davon, ob die beschränke Verteidigung unbedingt oder hilfsweise erklärt wird.

Zu den Prüfungspflichten des Betreibers eines Filesharing-Servers

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2008 – I-20 U 196/07

Zu den Prüfungspflichten des Betreibers eines Filesharing-Servers.

Aus der Urteilsbegründung:

Der Dienstanbieter muss nicht jeden nur denkbaren Aufwand betreiben, um die Nutzung rechtswidriger Inhalte zu vermeiden, vielmehr muss die Bedeutung des Einzelfalles und der erforderliche technische und wirtschaftliche Aufwand sowie die Auswirkungen auf andere Teile des Dienstes gesehen werden.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist neben der Frage, was dem Störer zuzumuten ist, auch zu berücksichtigen, was der Verletzte selbst tun kann, um weitere Störungen zu vermeiden.

Insofern wäre es für die Antragstellerin einfach und mit keinem
nennenswerten Aufwand verbunden gewesen, wenn sie neben den im
Schreiben vom 19.06.2007 aufgeführten 17 Einzeltiteln als weiteren
Verletzungsfall auch das – ihr ohne weiteres bekannte – Album „Greatest
Hits“ genannt hätte. Demgegenüber wäre es unverhältnismäßig,
stattdessen von der Antragsgegnerin zu 1. zu verlangen, dass sie
jenseits der ihr konkret mitgeteilten Titel Dateinamen, hinter denen
sich weitere Verletzungsfälle verbergen könnten, erst ausfindig mache.