BGH, I ZB 71/12 – Aus Akten werden Fakten: Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens

BGH, Beschluss vom 18. April 2013 – I ZB 71/12 – Aus Akten werden Fakten

Amtlicher Leitsatz:

Für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 – I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 = WRP 2009, 439 – STREETBALL; Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 Rocher- Kugel; Anschluss an EuGH, Beschluss vom 23. April 2010 C332/09, MarkenR 2010, 439 HABM/ Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]).

Aus der Beschlussbegründung:

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind Marken, denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt, von der Eintragung ausgeschlossen. Ist die Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintra-gung ausgeschlossen, wird die Anmeldung gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen und die Marke nach § 41 Satz 1 MarkenG nicht in das Register eingetragen. Ist die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden, wird die Eintragung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings sowohl im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) als auch im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) bei der Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen ist oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen (zum Eintragungsverfahren BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 14 = WRP 2009, 439 – STREETBALL; zum Nichtigkeitsverfahren BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 48 = WRP 2010, 260 – Rocher-Kugel, mwN; vgl. zum Warenzeichengesetz BGH, Beschluss vom 13. Mai 1993 I ZB 8/91, GRUR 1993, 744, 745 MICRO CHANNEL, mwN; vgl. weiter zum absoluten Schutzhindernis der bösgläubigen Markenanmeldung BGH, Beschluss vom 27. April 2006 – I ZB 96/05, BGHZ 167, 278 Rn. 42 – FUSSBALL WM 2006; Beschluss vom 2. April 2009 I ZB 8/06, GRUR 2009, 780 Rn. 11 = WRP 2009, 820 – Ivadal; vgl. ferner Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 15 und 18; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 37 Rn. 3, § 50 Rn. 5; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 32; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 37 MarkenG Rn. 18; Kramer in Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 37 MarkenG Rn. 4; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2. Aufl., Rn. 574; Bingener in Fezer, Handbuch der Markenpraxis, 2. Aufl., Markenverfahren DPMA Rn. 282).

Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens statt auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens wird vor allem damit begründet, dass es sich bei dem Eintragungsverfahren um ein auf schnelle Erledigung einer Vielzahl von Anmeldungen gerichtetes Registrierungsverfahren handelt, in dessen Rahmen für eingehende, langwierige Ermittlungen kein Raum ist (BGH, GRUR 1993, 744, 745 – MICRO CHANNEL; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Mai 1984 – I ZB 6/83, BGHZ 91, 262, 270 – Indorektal). Zwischen der Anmeldung des Zeichens und der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens könnten – insbesondere wenn gegen die Eintragungsentscheidung Rechtsbehelfe eingelegt würden – mehrere Jahre liegen. Wäre der Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens maßgeblich, müssten bei der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens oft schwierige Ermittlungen zum Vorliegen von Schutzhindernissen am Anmeldetag angestellt werden. Komme es dagegen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens an, könne das Vorliegen von Schutzhindernissen schneller und zuverlässiger festgestellt werden (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 8 Rn. 15).

Der Anmelder muss nach dieser Ansicht sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Nichtigkeitsverfahren nach der Anmeldung des Zeichens und vor der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens entstandene Eintragungshindernisse – wie hier den Verlust der Unterscheidungskraft des Zeichens – gegen sich gelten lassen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Gemeinschaftsmarkenverordnung ist dagegen für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) gestützten Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich (EuGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 C-192/03, Slg. 2004 I8993 Rn. 37 bis 41 – Alcon/HABM [BSS]; Beschluss vom 23. April 2010 C332/09, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 46 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]). Nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 GMV eingetragen worden ist. Gemäß Art. 7 Buchst. b GMV sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

Nach Ansicht des Gerichtshofs lässt sich nur mit dieser Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert (EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 47 bis 54 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]). Daraus folgt, dass auch für die Prüfung, ob die Anmeldung einer Marke gemäß Art. 38 Abs. 1 GMV aF (Art. 37 Abs. 1 GMV nF) zurückzuweisen ist, weil sie nach Art. 7 GMV und insbesondere wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach Art. 7 Buchst. b GMV von der Eintragung ausgeschlossen ist, allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist. Denn nur mit dieser Auslegung von Art. 38 Abs. 1 GMV aF (Art. 37 Abs. 1 GMV nF) lässt sich vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert.

Der Anmelder muss danach weder im Eintragungsverfahren noch im Nichtigkeitsverfahren eine nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eingetretene nachteilige Veränderung der Marke, wie den Verlust ihrer Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen (vgl. EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 53 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]).

Der Senat hält im Blick auf diese Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen. Dafür spricht nicht nur das Interesse des Anmelders, durch die Dauer des Eintragungsverfahrens keine Nachteile zu erleiden. Hinzu kommt das Interesse der Allgemeinheit an einer grundsätzlich einheitlichen Auslegung dieser miteinander übereinstimmenden Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung einerseits und des Markengesetzes andererseits (vgl. Bölling, GRUR 2011, 472, 477). Diese Interessen des Anmelders und der Allgemeinheit sind jedenfalls in ihrer Gesamtheit – höher zu bewerten als das Interesse an einer schnellen Erledigung einer Vielzahl von Anmeldungen.

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

Die Klägerin ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke „Davidoff Hot Water“ an, bei dem es sich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach Darstellung der Klägerin konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt der Vertrieb des gefälschten Parfüms eine offensichtliche Rechtsverletzung dar. Die beklagte Sparkasse hat durch die Führung des Girokontos, über das der Verkäufer den Zahlungsverkehr abgewickelt hat, auch eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG an sich vor. Die beklagte Sparkasse braucht die begehrte Auskunft aber nicht zu erteilen, wenn sie nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses im Prozess berechtigt ist. Da § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umsetzt, muss das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt sein. In Betracht kommt insoweit Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie unterfallen und – wenn dies der Fall sein sollte – ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss. Da die Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft, hat der Bundesgerichtshof sie dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat in dem Vorlagebeschluss erkennen lassen, dass aus seiner Sicht das Interesse an einer effektiven Verfolgung einer Schutzrechtsverletzung den Vorrang vor dem Interesse der Bank haben sollte, die Identität des Kontoinhabers geheimzuhalten.

Markenrechtliche Stilblüte: Die nicht zurückgewiesene Dichterin

Aus einer markenrechtlichen Leitsatzentscheidung des 33. Senats des BPatG:

„Allein der Umstand, dass es sich bei der Person der Annette von Droste-Hülshoff um eine bekannte Dichterin handelt, deren Werke zum deutschen Kulturerbe zählen, rechtfertigt nicht ihre Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG …“

BPatG, 24 W (pat) 75/10 – Farbmarke Blau

BPatG, Urt. v. 19. März 2013, 24 W (pat) 75/10 – Farbmarke Blau

Amtliche Leitsätze:

1. Der selbständige Markencharakter einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, tritt nicht erkennbar hervor, wenn die beanspruchte Farbe lediglich im Hintergrund einer bekannten Wort-marke verwendet wird und als deren farbiger, dekorativ ausgestalteter Hintergrund die graphisch zwin-gende Funktion hat, das in weißen Buchstaben geschriebene Markenwort überhaupt erst sichtbar zu machen.

2. Der selbständige Markencharakter einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, tritt nicht erkennbar hervor, wenn die beanspruchte Farbe stets nur in Verbindung mit einer bestimmten zweiten Farbe und im Verhältnis zur dieser und weiteren Farben zu wechselnden, die Produktgestaltung nicht durchgehend dominierenden Anteilen verwendet wird.

3. Der Verkehr kann in einer Farbe an sich, die zu den Grundfarben zählt, dann keinen eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen, wenn der Einsatz dieser Farbe sich nicht von dem in der maßgebenden Branche üblichen Farbeinsatz abhebt und es den Gewohnheiten des betreffenden Marktes entspricht, Farben als Sachhinweis sowie zum Zwecke der Dekoration einzusetzen.

4. Für die Verkehrsdurchsetzung einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, die auf dem einschlägigen, von Farbenvielfalt geprägten Markt häufig zu rein dekorativen Zwecken verwendet wird, die außerdem als beschreibende Angabe etabliert ist und die der Markeninhaber im Verkehr nie allein, sondern stets zumindest auch in Verbindung mit einer bestimmten anderen Farbe und gerade nicht durchgehend als Hintergrundfarbe bzw. die Warenverpackung dominierende Farbe verwendet, ist ein hoher Zuordnungsgrad von mindestens 75 % erforderlich.

BGH, I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 – I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

Amtliche Leitsätze:

a) Die graphische Darstellbarkeit und die für die Bejahung der Markenfähigkeit erforderliche hinreichende Bestimmtheit einer Marke im Sinne von Art. 2 MarkenRL gehören zu den wesentlichen Grundlagen des harmonisierten Markenrechts und fallen daher unter den Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA.

b) Den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Zeichens im Sinne von Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG genügt es nicht, wenn sich der Gegenstand einer Anmeldung auf unterschiedliche Erscheinungsformen erstreckt.

c) Die wegen Unbestimmtheit fehlende Markenfähigkeit ist nicht nur im Eintragungsverfahren relevant, sondern kann auch zur Schutzentziehung einer bereits eingetragenen Marke führen.

EuGH zur rechtserhaltenden Markenbenutzung (Stofffähnchen)

Der EuGH hat im Urteil in der Rechtssache C-12/12 zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken Stellung genommen und damit die in der Vorlageentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH I ZR 206/10 – Stofffähnchen II) gestellten Vorlagefragen beantwortet.

Nach der Entscheidung des EuGH kann eine eingetragene Marke (hier: das rote Stofffähnchen an einer Hosentasche, das als Positionsmarke eingetragen ist) auch dann rechtserhaltend benutzt werden, wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird (hier: Wortmarke „LEVI’S“), die ihrerseits eingetragen ist. Dasselbe gilt für eine eingetragene Marke (hier: rotes Stofffähnchen als Positionsmarke), die durch die Verwendung als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke (hier: rotes Stofffähnchen mit Aufschrift „LEVI’s“) Unterscheidungskraft erlangt hat. Auch in diesem Fall kann die eingetragene Marke durch die Benutzung der zusammengesetzten Marke rechtserhaltend benutzt werden.

Die Stofffähnchen-Entscheidung ergänzt somit die erst vor Kurzem ergangene Proti-Entscheidung. Nach der Proti-Entscheidung steht der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nicht entgegen, wenn die abgewandelte Form, in der die Marke benutzt wird, ebenfalls als Marke eingetragen ist. Nach der Stofffähnchen-Entscheidung steht der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nicht entgegen, wenn sie nicht in abgewandelter Form, sondern als Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens verwendet wird, selbst wenn das zusammengesetzte Zeichen und/oder die zusätzlichen Bestandteile des zusammengesetzten Zeichens selbst als Marke eingetragen sind.

BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11 – Kaleido

BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11 – Kaleido

Amtliche Leitsätze:

a) Dem Zeichen „Kaleido“ fehlt für die Ware „Spielzeug“ nicht jegliche Un-terscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Insbesondere wird der Verkehr das Zeichen nicht stets als verkürzte Beschreibung der Ware „Kaleidoskop“ verstehen.

b) Abstrakte sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf der Annahme einer assoziativen Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom Kontext vorgegebenen Sinn beruhen, können nicht ohne weiteres für die als Rechtsfrage zu beantwortende Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogenen werden. Bei dieser sind vielmehr die Umstände der konkret zu beurteilenden Bezeichnung und die Kennzeichengewohnheiten der maßgebenden Branche in den Blick zu nehmen.

BPatG, Beschl. v. 25 W (pat) 14/12 – Schwimmbad-Isolierbaustein

BPatG, Beschl. v. 25 W (pat) 14/12 – Schwimmbad-Isolierbaustein

Amtliche Leitsätze

1. Die positive Schutzfähigkeitsbeurteilung und -entscheidung im Anmelderbeschwerdeverfahren führt zu keiner irgendwie gearteten Bindung oder Festlegung für ein nachfolgendes gemäß § 54 Abs. 1 MarkenG eingeleitetes Löschungsverfahren, und zwar weder nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V.m. §§ 322, 325 ZPO im Wege der Rechtskraftwirkung, weil die Beteiligten beider Verfahren nicht identisch sind, noch nach § 70 Abs. 4 MarkenG oder § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 318 ZPO im Wege der Bindung oder Selbstbindung, da es sich beim Eintragungs- und Löschungsverfahren um eigenständige und voneinander unabhängige Verfahren handelt (im Anschluss an BPatG GRUR 2008, 518, Rdn. 32 – Karl May; Abgrenzung zu den Beschlüssen vom 06. Mai 2009 zu 29 W (pat) 19/05 und 29 W (pat) 20/05 „Magenta“ – abstrakte Farbmarke, juris, jeweils [Rdn. 82ff bzw. 77ff]).

2. Gegen die Berücksichtigung von Vertrauensschutzerwägungen zu Gunsten der Inhaber angegriffener Marken in Löschungsverfahren spricht innerhalb der Zehnjahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG sowohl der Wortlaut der Vorschriften der §§ 3, 8, 50, 54 MarkenG als auch deren Zweck. Die Löschung fehlerhaft eingetragener Marken ist vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen, realisiert entsprechend dem Gesetzeszweck das hoch zu veranschlagende Interesse der Allgemeinheit, vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen bewahrt zu werden, und dient auch dem Ziel, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten (im Anschluss an GRUR 2010, 1017 – Bonbonform; Abgrenzung zu BPatG GRUR-RR 2008, 49 f – lastminit und BGH GRUR 1975, 368 – Elzym in einem sehr speziellen Sonderfall). Dabei spielt es keine Rolle, dass die Registereintragung auf einer Gerichtsentscheidung beruht.

3. Der streitgegenständliche dreidimensionale Formstein weist im Wesentlichen nur Merkmale auf, um als mit Beton verfüllbarer und isolierender Baustein für den Schwimmbadbau eingesetzt werden zu können. Dabei hebt er sich in keiner Weise von dem vorhandenen Formenschatz der am Markt angebotenen, mit Beton verfüllbaren Konkurrenz-Produkte aus Polystyrol ab.

BGH, I ZB 68/11 – Deutschlands schönste Seiten

BGH, Beschluss vom 13. September 2012 – I ZB 68/11 – Deutschlands schönste Seiten

Amtlicher Leitsatz:

Ist eine Wortfolge (hier: Deutschlands schönste Seiten) für die Ware „Druckschriften“ inhaltsbeschreibend und nicht unterscheidungskräftig, wird dies im Regelfall auch für die Dienstleistungen gelten, die sich auf die Veröffentlichung und Herausgabe von Druckschriften beziehen. Eine Ausnahme kommt allerdings für die fraglichen Dienstleistungen in Betracht, wenn die Wortfolge sich nur zur Beschreibung eines eng begrenzten Themas eignet.

Markenbenutzung: Deutsch-schweizerisches Übereinkommen auf dem Prüfstand?

Das Urteil des EuG vom 12.7.2012 in der Rechtssache T-170/11 wirft Fragen zum Verhältnis zwischen dem Benutzungserfordernis des harmonisierten europäischen Markenrechts und dem Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz aus dem Jahr 1892 auf. Nach Artikel 5 dieses Übereinkommens gilt eine Marke in Deutschland als benutzt, auch wenn die Benutzung nur in der Schweiz erfolgte.

Dem Verfahren vor dem EuG vorangegangen war ein Widerspruchsverfahren vor dem HABM. Die Widersprechende stützte den Widerspruch gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung auf eine mit Wirkung für Deutschland eingetragene IR-Marke. Benutzungshandlungen wurden von der Widersprechenden – unter Berufung auf das genannte Übereinkommen aus dem Jahr 1892 – nur für die Schweiz nachgewiesen.

Das EuG entschied, dass „die ernsthafte Benutzung einer älteren Marke, gleichviel ob es sich um eine Gemeinschaftsmarke, eine nationale oder eine internationale Marke handelt, in der Europäischen Union oder im betreffenden Mitgliedstaat nachgewiesen werden“ muss (Rz. 31 der Entscheidungsgründe). Eine Benutzung nur in der Schweiz ließ das EuG (wie auch schon die Beschwerdekammer des HABM) demnach nicht genügen.

Das EuG wies darüber hinaus darauf hin, dass „das harmonisierte Markenrecht der Mitgliedstaaten eine zwingende Benutzung im betreffenden Mitgliedstaat voraus[setzt] (vgl. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95). Es ist auch zu beachten, dass das Erfordernis der ernsthaften Benutzung – unter Vermeidung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen – in das nationale Recht umgesetzt wurde (§ 26 Markengesetz).“ (Rz. 33 der Entscheidungsgründe) Die Frage, ob Artikel 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz im innerstaatlichen Recht durch deutsche Gerichte noch angewandt werden darf, bedurfte im entschiedenen Fall keiner Klärung. Jedoch dürfte absehbar sein, dass jedenfalls die zitierte Textpassage aus Rz. 33 der Entscheidungsgründe des Urteils des EuG vom 12.7.2012 in der Rechtssache T-170/11 dazu führen wird, dass auch in rein nationalen Marken-Kollisionsverfahren die Frage aufgeworfen wird, ob eine Benutzung einer Marke nur in der Schweiz für eine Benutzung i.S.v. § 26 MarkenG ausreicht. Dies wird komplexe Fragen dazu aufwerfen, inwieweit durch eine europäische Richtlinie in ältere zwischenstaatliche Übereinkommen zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Nicht-Mitgliedsstaat der EU eingegriffen werden kann.