BGH, I ZR 191/10 – Freie Wähler: Schutz des Namens einer Wählervereinigungen

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 191/10 – Freie Wähler

Amtliche Leitsätze:

a) Für die Namen von Wählervereinigungen gilt das strenge Prioritätsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 PartG nicht. Für ihre originäre Unterscheidungskraft ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist.

b) Der Verkehr geht davon aus, dass bei Wählervereinigungen nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung ebenso wie bei Parteien auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen.

BGH, I ZR 188/09 – Landgut Borsig: Recht am Namen einer Liegenschaft

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 188/09 – Landgut Borsig

Amtlicher Leitsatz:

Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter) verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.

§ 12 BGB -> Namensrecht, Namensrecht eines Hauses oder einer Liegenschaft

Aus der Urteilsbegründung:

Für die rechtmäßig erworbene namensartige Kennzeichnung eines Hauses kann in entsprechender Anwendung des § 12 BGB ein Namensrecht in Anspruch genommen werden, wenn und soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1976 I ZR 71/74, MDR 1976, 998 – Sternhaus; KG, NJW 1988, 2892, 2893; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 5 MarkenG Rn. 6; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 15 MarkenG Rn. 74; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 5 Rn. 14; Zerhusen in Festschrift Koeble, 2010, S. 603, 604; aA Staudinger/Habermann, BGB, Bearb. 2004, § 12 Rn. 106; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 53).

Nichts anderes gilt, wenn nicht die Bezeichnung eines Gebäudes, sondern die eines Grundstücks in Rede steht (vgl. H. Lehmann, MuW 1931, 353, 355).

Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Da ein berechtigtes Interesse an der Benennung eines Gebäudes mit einer vom Verkehr anerkannten Bezeichnung bestehen kann, entstünde eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke, wenn dieser Benennung ein Schutz entsprechend § 12 BGB versagt wäre. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht abhängig von den Umständen des Einzelfalls zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349; H. Lehmann, MuW 1931, 353, 357).

Allein dieser jeweils Berechtigte ist befugt, sich auf den mit dem Gebäude oder Grundstück verbundenen Namen zu berufen, um von Dritten gegen die Namensführung erhobene Ansprüche abzuwehren. Diese Befugnis ist von der Berechtigung an dem Gebäude oder Grundstück abhängig, sie ist akzessorisch mit diesem verbunden. Ein Erwerber der Immobilie erlangt deshalb auch die mit ihr im Zeitpunkt des Erwerbs etwa verbundene Befugnis zur entsprechenden Namensführung.

Die Benennung eines Gebäudes ist indes nur unter zwei Vorausset-zungen namensrechtlich schutzwürdig.

(1) Zum einen muss ein objektiv berechtigtes Interesse an der Benen-nung bestehen. Es kann etwa darin liegen, dass durch die Bezeichnung auf die besonderen Beziehungen einer bekannten Persönlichkeit des kulturellen oder politischen Lebens zu einem Gebäude (Geburtshaus, Wohnhaus) hingewiesen werden soll (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Fezer aaO § 15 MarkenG Rn. 79; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349).

(2) Die Schutzwürdigkeit des Interesses der Beklagten an der Benennung der Liegenschaft als „Landgut Borsig“ setzt jedoch weiter voraus, dass diese Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten entsprechend ihrer Behauptung im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war. Denn solange das nicht der Fall ist, fehlt der Bezeichnung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion, die eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB rechtfertigen kann.

BGH, I ZB 98/10 – akustilon: Löschung der Marke durch das Patentamt wegen Verfalls

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 98/10 – akustilon

Amtlicher Leitsatz:

Das Verfahren nach § 53 MarkenG ist auf die formelle Prüfung beschränkt, ob der Inhaber der eingetragenen Marke der Löschung rechtzeitig widersprochen hat. Wird mit dem Antrag nach § 53 Abs. 1 MarkenG geltend gemacht, der Inhaber der Marke erfülle nicht mehr die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen, und hat der im Register eingetragene Markeninhaber Widerspruch erhoben, hat das Deutsche Patent- und Markenamt im Verfahren nach § 53 MarkenG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 MarkenG nicht zu prüfen.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG ist ein dem Klageverfahren nach § 55 MarkenG vorgeschaltetes, fakultatives Registerverfahren, in dem keine Entscheidung über die Löschungsreife der Marke wegen Verfalls ergeht. Die materiell-rechtliche Prüfung, ob die Marke gemäß § 49 MarkenG verfallen ist, ist vielmehr dem Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 53 Rn. 7).

Das Verfahren dient ebenso wie das Löschungsverfahren nach der Vorschrift des § 11 Abs. 4 WZG, die Vorbild für die Bestimmung des § 53 MarkenG war (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks. 12/6581, S. 97) der Klärung der einfach zu beantwortenden Frage, ob das Vorliegen eines Verfallsgrundes unstreitig und ein Klageverfahren entbehrlich ist (vgl. zum Warenzeichengesetz Busse/Starck, Warenzeichengesetz, 6. Aufl., § 11 Rn. 35; zum Markengesetz v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 53 MarkenG Rn. 1; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 53 Rn. 1).

BGH, I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat: Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat

Bringt ein Wiederverkäufer mit der Marke des Softwareherstellers versehene Sicherungs-CDs eines Computerprogramms in den Verkehr, die er mit Echtheitszertifikaten des Herstellers versehen hat, die zuvor nicht auf den CDs, sondern auf Computern angebracht waren, kann sich der Softwarehersteller dem Vertrieb der Datenträger aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen.

BGH, I ZB 23/11 – Simca: rechtliches Gehör, bösgläubige Markenanmeldung

BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – I ZB 23/11 – Simca

Das rechtliche Gehör des Antragstellers eines Löschungsverfahrens nach § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG [-> Bösgläubige Markenanmeldung] ist nicht schon dann verletzt, wenn das Bundespatentgericht nicht ausdrücklich auf sämtliche Indizien eingeht, die für eine Markenanmeldung zu Spekulationszwecken geltend gemacht worden sind.

BGH, I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

Amtliche Leitsätze:

a) Für das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es nicht darauf an, ob der Anmelder bereits über ein Namens- oder Kennzeichenrecht verfügt, mit dem er Dritte von der Verwendung einer der Marke entsprechenden Angabe im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausschließen kann.

b) Die Bezeichnung „Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.“ ist unter anderem für die Waren und Dienstleistungen „Druckereierzeugnisse, betriebswirtschaftliche Beratung, Marketing und finanzielle Beratung“ freihaltebedürftig.

BPatG, 30 W (pat) 33/09 – Schwarzwälder Schinken

BPatG, Entsch. v. 13. Oktober 2011 – 30 W (pat) 33/09 – Schwarzwälder Schinken

Amtliche Leitsätze:

1. Eine Änderung der Rechtslage kann einen Grund für die Änderung der Spezifikation für eine geschützte geografische Angabe im Sinne von Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 darstellen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die in einer Spezifikation enthaltene Vorgabe gerechtfertigt ist, dass das Schneiden und Verpacken eines Erzeugnisses nur im Herkunftsgebiet durchgeführt werden darf.

Aus der Urteilsbegründung:

Art. 9 VO 510 eröffnet die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe. Die allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Nach dieser Entscheidung (GRUR 2003, 616 ff.) handelt es sich beim Aufschneiden und Verpacken eines Schinkens um wichtige Vorgänge, die die Qualität des Erzeugnisses mindern, die Garantie der Echtheit gefährden und damit auch dem Ansehen der geschützten geografischen Angabe schaden können. Daher können hierfür besondere technische Regeln festgelegt werden, um Qualität und Herkunftsgarantie zu gewährleisten.

So soll eine Spezifikation, mit der vorgeschrieben wird, dass das Aufschneiden und Verpacken im Erzeugungsgebiet erfolgen muss, es den Inhabern der geschützten Angabe ermöglichen, die Kontrolle über die jeweilige Aufmachungsform zu behalten. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis, dass diese Vorgaben ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellen, um das Ansehen der geschützten Angabe zu erhalten (a. a. O. Nr. 65, 66). Im dortigen Fall hat der Gerichtshof die Verlagerung des Schneidens und Verpackens in das Erzeugungsgebiet nach einem System von genau und streng geregelten technischen Maßnahmen und Kontrollen in Bezug auf Echtheit und Qualität als gerechtfertigt gesehen, insbesondere vor dem Hintergrund effektiver Kontrollen ausschließlich im Erzeugungsgebiet (a. a. O. Nr. 75, 76).

BPatG, 26 W (pat) 47/10 – Regelgegenstandswert im Widerspruchsbeschwerdeverfahren

Amtlicher Leitsatz der Entescheidung des BPatG vom 30. November 2011 – 26 W (pat) 47/10 zum
Regelgegenstandswert im Widerspruchsbeschwerdeverfahren:

Im Widerspruchsbeschwerdeverfahren wird im Regelfall einer im Inland noch unbenutzten
Marke ein Gegenstandswert in Höhe von 50.000 € für angemessen erachtet (Anschluss an BPatG PAVIS PROMA, 27 W (pat) 75/09, Beschluss vom 5. August 2008).

BGH, I ZR 41/10 – Werbegeschenke: Keine rechtserhaltende Markenbenutzung durch Verteilung von Werbegeschenken

Amtliche Leitsätze des Urteils des BGH vom 9. Juni 2011 – I ZR 41/10 – Werbegeschenke:

a) Die Löschungsansprüche wegen bösgläubiger Markenanmeldung und wegen Verfalls mangels rechtserhaltender Benutzung sind unterschiedliche Streitgegenstände.

b) Will die in erster Instanz mit dem Löschungsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung erfolgreiche Partei die Klage in der Berufungsinstanz (auch) auf einen Verfall der Marke wegen fehlender rechtserhaltender Benutzung stützen, muss sie sich dem Rechtsmittel der Gegenseite anschließen.

c) Hat das Berufungsgericht das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO ohne Zustimmung der Parteien angeordnet, kann eine Anschlussberufung im Rahmen des schriftlichen Verfahrens nicht wirksam eingelegt werden.

d) Eine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 1 MarkenG liegt nicht vor, wenn Werbegeschenke als Belohnung für den Kauf anderer Waren und zur Förderung des Absatzes dieser Waren verteilt werden, es sei denn, dies geschieht auch, um für die als Werbegeschenke verteilten Waren einen Absatzmarkt zu erschließen.

BPatG, 30 W (pat) 76/09 – Hiffenmark

Aus der Eilunterrichtung des 30. Senats des Bundespatentgerichts: die Leitsätze zur Entscheidung 30 W (pat) 76/09 vom 4. Juli 2011 – Hiffenmark:

1. Die Veröffentlichung eines Antrags auf Eintragung einer Bezeichnung in das Verzeichnis der geschützten geographischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen gemäß § 130 Abs. 4 Satz 1 MarkenG kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn es bereits an der Antragsbefugnis des Antragstellers gemäß Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 fehlt.

2. Das „Ansehen“ [einer geografischen Angabe] kann für sich genommen eine Eigenschaft des Erzeugnisses i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 510/2006 darstellen und insoweit auch die Antragsbefugnis eines Einzelantragstellers nach Art. 2 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 1898/2006 begründen. Das Ansehen des Erzeugnisses muss jedoch nachgewiesen sein.