BGH, I ZB 55/07: Zur mangelnden Markenfähigkeit des LEGO-Bausteins

BGH, Beschluss v. 16. Juli 2009 – I ZB 55/07

§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Aus der Beschlussbegründung:

Eine differenzierte Betrachtung, ob dieselbe technische Wirkung nur mit unterschiedlichen technischen Lösungen erzielt werden kann oder ob diese Wirkung mit der gleichen technischen Lösung, aber mit unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen ist, ist nicht geboten. Für eine derartige Differenzierung besteht nach dem Zweck des Schutzhindernisses aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kein Anlass.

Auf den Vortrag der Markeninhaberin, dass die Klemmwirkung von Spielbausteinen durch einen gegenüber der angegriffenen Marke anderen Aufbau und eine andere Gestaltung der Kupplungselemente (Noppen) erzielt werden könne, ohne dass mit der Formgebung der angegriffenen Marke in qualitativer, technischer, funktionsmäßiger oder wirtschaftlicher Hinsicht ein Vorteil gegenüber abweichenden Ausführungen verbunden sei, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Auch wenn dies der Fall sein sollte, bleibt für das Eintragungshindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entscheidend, dass die von der Markeninhaberin für die angegriffene Marke gewählten wesentlichen funktionellen Merkmale der Warenform allein der technischen Wirkung zuzuschreiben sind.

siehe auch: technisch bedingte Warenformen, Warenformmarken (ipwiki.de)

BGH, Xa ZB 38/08 – Dichtungsanordnung: Notwendigkeit der Anhörung im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vor dem BPatG

BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – Xa ZB 38/08 – Dichtungsanordnung

Amtlicher Leitsatz:

PatG (Fassung: 1.7.2006) § 59 Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 1

Das Patentgericht hat in einem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren auf Antrag eines Beteiligten eine öffentliche mündliche Anhörung oder eine mündliche Verhandlung auch dann durchzuführen, wenn das Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2006 bei ihm anhängig geworden ist.

BGH, I ZR 169/07 – BTK: Zur Angemessenheit eines fiktiven Lizenzsatzes bei einer Kennzeichenverletzung

BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 169/07 – BTK

Amtliche Leitsätze:

MarkenG § 14 Abs. 3 Nr. 3 und 5, § 15 Abs. 5 a.F.

a) In die Beurteilung, welcher Lizenzsatz einer Umsatzlizenz bei der Verletzung eines Kennzeichenrechts angemessen ist, ist die in der Branche übliche Umsatzrendite regelmäßig einzubeziehen.

b) Kann ein wegen einer Kennzeichenverletzung zur Auskunft Verpflichteter nicht zweifelsfrei beurteilen, ob das Kennzeichenrecht des Gläubigers durch bestimmte Geschäfte verletzt worden ist, und führt er die Geschäfte deshalb im Rahmen der Auskunft auf, handelt er nicht widersprüchlich, wenn er im nachfolgenden Betragsverfahren den Standpunkt einnimmt, diese Geschäftsvorfälle seien in die Bemessung des Schadensersatzes nicht einzubeziehen.

siehe auch: Lizenzanalogie

BGH, X ZR 11/06 – Entsorgungsverfahren

BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – X ZR 11/06

Amtlicher Leitsatz:

GG Art. 101 Abs. 1

Entscheidet das Berufungsgericht den Patentverletzungsstreit auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche und werden diese nachfolgend durch ein Patentnichtigkeitsurteil dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass beschränkende Merkmale in einen oder mehrere Patentansprüche aufgenommen werden, so ist bei Nichtzulassung der Revision der Anspruch eines wegen Patentverletzung Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, wenn es angesichts der Feststellungen des Tatrichters nicht entscheidungserheblich ist, ob das Patent die eine oder die andere Fassung hat.

Lustige Abmahnung

Der Spiegel weist in einem Artikel vom 21.01.2010 auf eine „lustige“ Abmahnwelle hin, in der ein Unternehmen verschiedene Webseiten- und Blogbetreiber abgemahnt hat, weil diese angeblich ihr Unternehmenskennzeichen verwendet hätten (ein grüner, nach rechts oben zeigender Pfeil). Bei einer entsprechenden Nachforschung – die Abgemahnten konnten sich nicht daran erinnern, jemals ein derartiges Logo verwendet zu haben – stellte sich heraus, dass ein Ad-Blocker des Unternehmens Werbung auf Webseiten durch das unternehmenseigene Logo ersetzt hat…

EPÜ: Bestellung eines Vertreters – Wirren des EPÜ?

Wie der erfahrene Anwender des EPÜ weiß, benötigen natürlich oder juristische Personen, die keinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedsstaat des EPÜ haben, einen zugelassenen Vertreter, um vor dem EPA rechtswirksame Handlungen vornehmen zu können (Art. 133 (2) EPÜ).

Interessant dabei ist, dass die Rechtsfolgen bei nicht rechtzeitiger Vertreterbestellung sich danach unterscheiden, ob es beim Einreichen der europäische Patentanmeldung beim EPA versäumt wurde, den Vertreter zu bestellen oder beim Eintritt in die regionale Phase einer Euro-PCT-Anmeldung. Zwar wird in beiden Fällern die Anmeldung zurückgewiesen, allerdings ist im ersteren Fall bei Fristversäumnis keine Weiterbehandlung möglich, im zweiten Fall aber sehr wohl. Dies liegt an der unterschiedlichen Rechtsfolgekette, die im EPÜ kodifiziert ist.

Handelt es sich nämlich um eine direkte EP-Anmeldung, so stellt die nicht rechtzeitige Vertreterbestellung einen Mangel nach Art. 90 (2), Art. 92 (3), R. 57 h) EPÜ dar und das EPA fordert den Anmelder in einer Mitteilung nach R. 58 EPÜ auf, diesen Mangel innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu beseiten. Beseitigt der Anmelder diesen Mangel nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten, so wird die Anmeldung nach Art. 90 (5) EPÜ zurückgeweisen. Nach R. 135 (2) EPÜ ist die Weiterbehandlung nach Art. 121 EPÜ in diesem Fall ausgeschlossen und es bleibt nur die Wiedereinsetzung nach Art. 122 EPÜ.

Bei dem Eintritt in die regionale Phase einer Euro-PCT-Anmeldung werden die Formerfordernisse nach R. 163 EPÜ bestimmt und bei versäumter Vertreterbestellung erfolgt eine Mitteilung nach R. 163 (5) EPÜ, in der das EPA den Anmelder auffordert innerhalb einer Frist von zwei Monaten, einen zugelassenen Vertreter zu bestellen. Versäumt der Anmelder diese Frist, so wird die Euro-PCT-Anmeldung nach R. 163 (6) S. 1 EPÜ zurückgewiesen. R. 163 EPÜ ist nicht von der Weiterbehandlung ausgeschlossen, sodass in diesem Fall die Weiterbehandlung nach Art. 121 möglich ist.

BGH Xa ZR 58/07 „Neurale Vorläuferzellen“

Der BGH hatte in der o.g. Entscheidung vom 17.12.2009 Gelegenheit, sich intensinver mit §  2 PatG und Art. 6 der BiopatentRL auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang legt der BGH dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Was ist unter dem Begriff „menschliche Embryonen“ in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 98/44/EG zu verstehen?

a) Sind alle Entwicklungsstadien menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst oder müssen zusätzliche Voraussetzungen wie zum Beispiel das Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstadiums erfüllt sein?

b) Sind auch folgende Organismen umfasst:

(1) unbefruchtete menschliche Eizellen, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist;

(2) unbefruchtete menschliche Eizellen, die im Wege der Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden sind?

c) Sind auch Stammzellen umfasst, die aus menschlichen Embryonen im Blastozystenstadium gewonnen worden sind?

2. Was ist unter dem Begriff „Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ zu verstehen? Fällt hierunter jede gewerbliche Verwertung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, insbesondere auch eine Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung?

3. Ist eine technische Lehre auch dann gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie von der Patentierung ausgeschlossen, wenn die Verwendung menschlicher Embryonen nicht zu der mit dem Patent beanspruchten technischen Lehre gehört, aber notwendige Voraussetzung für die Anwendung dieser Lehre ist,

a) weil das Patent ein Erzeugnis betrifft, dessen Herstellung die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen erfordert,

b) oder weil das Patent ein Verfahren betrifft, für das als Ausgangsmaterial ein solches Erzeugnis benötigt wird?

BPatG 25 W (pat) 65/08 „Linuxwerkstatt“

Der 25. Markenbeschwerdesenat des Bundespatentgerichts informierte am 18.01.2010 in einer Eilunterrichtung darüber, dass Voreintragungen  identischer oder vergleichbarer Marken durch Nennung nicht Verfahrensgegenstand werden. Außerdem entfalten Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse nach § 37 MarkenG für die Markenstellen des Deutschen Patent- und Markenamts und auch im Beschwerdeverfahren des Bundespatentgerichts keinerlei verbindliche Wirkung. Dies hat der EuGH im Hinblick auf seine insoweit klare bisherige Rechtsprechung zuletzt nur noch im Beschlusswege entschieden (EuGH GRUR 2009, 667 (Tz. 17) Bild.T-Online.de und ZVS zu „Volks.Handy u. a.“ und „Schwabenpost“; vgl. dazu auch BPatG GRUR 2007, 333 – Papaya)