BGH, Xa ZR 123/09 – Solara: unvollständig gemeldeter („verhehlter“) Nachbau von sortengeschützten Pflanzen

BGH, Beschluss vom 30. September 2010 – Xa ZR 123/09 – Solara

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (Sortenschutzverordnung, GemSortV) und der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (Nachbauverordnung, GemNachbauV) vorgelegt:

a) Ist die angemessene Vergütung, die ein Landwirt dem Inhaber eines gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts gemäß Art. 94 Abs. 1 GemSortV zu zahlen hat, weil er durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Sorte genutzt und die in Art. 14 Abs. 3 GemSortV und Art. 8 GemNachbauV festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt hat, nach dem Durchschnittsbetrag der Gebühr zu berechnen, die in demselben Gebiet für die Erzeugung einer entsprechenden Menge in Lizenz von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenarten verlangt wird, oder ist stattdessen das (niedrigere) Entgelt zu Grunde zu legen, das im Falle eines erlaubten Nachbaus nach Art. 14 Abs. 3 Spiegelstrich 4 GemSortV und Art. 5 GemNachbauV zu entrichten wäre?

b) Falls nur das Entgelt für berechtigten Nachbau zu Grunde zu legen ist: Kann der Sortenschutzinhaber in der genannten Konstellation bei einem einmaligen schuldhaft begangenen Verstoß den ihm gemäß Art. 94 Abs. 2 GemSortV zu ersetzenden Schaden pauschal auf der Grundlage der Gebühr für die Erteilung einer Lizenz für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial berechnen?

c) Ist es zulässig oder sogar geboten, bei der Bemessung der nach Art. 94 Abs. 1 GemSortV geschuldeten angemessenen Vergütung oder des nach Art. 94 Abs. 2 GemSortV geschuldeten weiteren Schadensersatzes einen besonderen Kontrollaufwand einer Organisation, die die Rechte zahlreicher Schutzrechtsinhaber wahrnimmt, in der Weise zu berücksichtigen, dass das Doppelte der üblicherweise vereinbarten Vergütung bzw. des nach Art. 14 Abs. 3 Spiegelstrich 4 GemSortV geschuldeten Entgelts zugesprochen wird?

OLG Düsseldorf, I-2 U 65/09: Zur äquivalenten Patentverletzung

OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.07.2010 – I-2 U 65/09

Aus der Urteilsbegründung:

Fehlt ein Merkmal ersatzlos, beansprucht die Klägerin in Wahrheit Schutz für eine Unterkombination. Eine Einbeziehung in den Schutzbereich [unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz] kommt in solchen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn das fehlende Merkmal aus der Sicht des Fachmanns zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre erkennbar überflüssig ist (BGH GRUR 2007, 1059, 1063 Tz. [27] bis [30] – Zerfallszeitmessgerät; Schulte/Kühnen, a.a.O., Rdnr. 76).

Anderenfalls verlöre der Patentanspruch seine Bedeutung als maßgebliche Grundlage der Schutzbereichsbestimmung zugunsten eines aus der Beschreibung abgeleiteten allgemeineren Erfindungsgedankens unter der vor Inkrafttreten des § 14 PatG 1981 entsprechenden § 6a PatG 1976 bestehenden alten Rechtslage. Das wäre mit Art. 69 EPÜ ebenso wenig vereinbar wie mit der in gleicher Weise auszulegenden nationalen Schutzbereichsnorm in § 14 PatG (BGH, a.a.O., Tz. [29] a.E. – Zerfallszeitmessgerät).

OLG Hamm, I-4 U 210/09: Berechnung der GEMA-Gebühren für eine Event-Bühne eines Stadt- und Straßenfestes

OLG Hamm, Urteil v. I-4 U 210/09

Bei der Berechnung der GEMA-Gebühren für eine Event-Bühne eines Stadt- und Straßenfestes ist grundsätzlich auf die Gesamtfläche abzustellen.

Aus der Urteilsbegründung:

Zu berechnen ist die Quadratmeterzahl der gesamten, genutzten Fläche, multipliziert mit dem Ergebnis der Veranstaltungstage. Die genutzten Plätze können insofern vermessen werden. Soweit die Veranstaltung allein oder auch in einer Straße stattfindet, ist die Quadratmeterzahl vom ersten bis zum letzten Stand (zur Berechnung der Länge) sowie von Häuserwand zu Häuserwand (zur Berechnung der Breite) zu erfassen unter Berücksichtigung der gesamten Straßenfläche einschließlich etwaiger Gehwege.

Allgemein ist in diesem Zusammenhang an § 13 III UrhWahrnG anzuknüpfen, wonach Berechnungsgrundlage für die Tarife in der Regel die geldwerten Vorteile sein sollen, die durch die Verwertung erzielt werden. Es gilt insofern der urheberrechtliche Beteiligungssatz, nach dem der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte an jeder wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke oder Leistungen angemessen zu beteiligen ist (BGH GRUR 1982, 102, 103; Schricker/Reinbothe, § 11 WahrnG Rn. 5; 13 Rn. 7).

Die Besucher eines Stadtfestes, die flanieren, einkaufen, Speisen verzehren, sich unterhalten oder sich sonst wie auf dem Fest bewegen, nehmen regelmäßig die übergreifende Musikwiedergabe, wenn auch mit unterschiedlicher Aufmerksamkeit, wahr. Jedenfalls ist grundsätzlich das gesamte Fest von der Musikwiedergabe mit geprägt. Es besteht ein andauerndes Kommen und Gehen. Für solche Innenstadtfeste ist es gerade typisch, dass man sich nicht auf einen Platz konzentriert, sondern dass man den verschiedenen Plätzen einen Besuch abstatten kann. Diese Feste stellen sich insofern nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Musikwiedergaben durch die mehreren als übergreifend angeordneten Event- und Musikbühnen zumeist als eine einzige Veranstaltung dar. Von daher kann es für die Berechnung der maßgeblichen Fläche nicht darauf ankommen, ob sich ein einzelner Flächenanteil vor oder hinter der Bühne befindet, ob es um andere Stände, Einfahrten oder sonstige Flächen am Rande geht, die direkt oder nur mittelbar mit beschallt werden, oder ob einzelne Bereiche nicht oder bei den jeweiligen Einzelständen, Fahrgeschäften etc. punktuell doppelt beschallt werden. Entsprechendes gilt für die Besucher von Verkaufs- oder Gastronomieständen, die ebenfalls die angebotenen Musikwerke wahrnehmen sollen, um beim Einkauf oder dem Verzehr von Speisen oder Getränken unterhalten zu werden. Es ist bei einer solchen Veranstaltung gerade typisch, dass die Gäste von Ort zu Ort, nämlich zwischen den Bühnen, Verkaufsständen und Gastronomiebetrieben wechseln. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Besucher zwischen den einzelnen Verkaufsständen umhergehen und auch die einzelnen musikalischen Veranstaltungen wahrnehmen. Es handelt sich insofern regelmäßig um einheitliche Veranstaltungen und nicht um bloße Einzelveranstaltungen nur im engeren Bereich einzelner Bühnen. Insofern kann es auch nicht darauf ankommen, wo im Einzelnen die Bühne noch mehr oder weniger gut oder schlecht gehört werden kann oder ob die Musik auch von anderen Musikquellen überlagert wird. Eine Aufspaltung nach den diversen einzelnen Musikquellen (an Musikständen, Fahrgeschäften, CD-Ständen usw.) könnte im Detail praxisnah auch kaum noch geleistet werden.

BPatG, 6 W (pat) 327/06: Kosten der Rechtsbeschwerde

BPatG, Beschl. v. 29. Juni 2010 – 6 W (pat) 327/06

Amtliche Leitsätze:

1. Verweist der Bundesgerichtshof die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurück, hat das Bundespatentgericht neben der Frage einer Auferlegung der außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG gegebenenfalls auch zu prüfen, ob eine Nichterhebung der Gerichtskosten gem. GKG § 21 Abs. 1 in Betracht kommt.

2. Liegt eine unrichtige Sachbehandlung i. S. v. GKG § 21 Abs. 1 vor, die für die Rechtsbeschwerde ursächlich war, ist aufgrund dieser zwingenden Vorschrift eine ausdrückliche Entscheidung von Amts wegen erforderlich, dass (Gerichts-)Kosten nicht erhoben werden.

BPatG, 11 W (pat) 30/09: Zur Zuständigkeit für die Wiedereinsetzung

BPatG, Beschl. v. 29. Juli 2010 – 11 W (pat) 30/09, Eilunterrichtung

Amtlicher Leitsatz: (§ 123 (3) PatG)

Hat die Prüfungsstelle des Patentamts auf Antrag des Anmelders und Beschwerdeführers die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist durch Beschluss gewährt, obwohl sie dafür wegen Nicht-Abhilfe der Beschwerde nicht zuständig war, wird diese an sich unanfechtbare Entscheidung wirkungslos, sobald das Patentgericht in seiner Zuständigkeit rechtmäßig über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden hat, ohne dass es einer Aufhebung des patentamtlichen Wiedereinsetzungsbeschlusses bedarf, für die es auch keine Rechtsgrundlage gäbe.

-> Entscheidung über die Wiedereinsetzung

EPA: Erleichterung in Sicht?

Insbesondere die kurze 1-Monatsfrist für die Beantwortung einer Mitteilung nach R. 161 I/II EPÜ hat für einigen Unmut gesorgt. Möglicherweise wird diese Frist aber auf 6 Monate verlängert.

Das EPA hat in einer Mitteilung vom 29.9.10 mitgeteilt:

Der Ausschuss „Patentrecht“ (ein nachgeordnetes Organ des Verwaltungsrates des EPAs) gab einstimmig während seiner 39. Sitzung am 27. September 2010 eine positive Stellungnahme zu den Vorschlägen zur Änderung der Ausführungsordnung ab. Die Vorschläge werden dem Verwaltungsrat des EPAs zur Beschlussfassung in dessen Sitzung Ende Oktober unterbreitet.

Die Vorschläge beinhalten folgendes:

  • Vorschlag für die Änderung der Regel 36 (1) a) EPÜ durch explizite Auflistung der substanziellen Bescheide der Prüfungsabteilung, welche die 24-Monatsfrist für die Einreichung freiwilliger Teilanmeldungen auslösen, nämlich Mitteilungen nach Artikel 94 (3) und Regel 71 (1), (2) oder (3) EPÜ
  • Vorschlag über die Verlängerung der in Regel 161 (1) und (2) EPÜ sowie in der Regel 162 EPÜ genannten Fristen von einem auf sechs Monate
  • Vorschlag für die Änderung der Regel 71 und Einfügung einer neuen Regel 71a EPÜ zur Verbesserung der letzten Phase der Erteilungsverfahren durch Einführung eines zweiten Schritts für Fälle, in denen der Anmelder auf die Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin Änderungen oder Berichtigungen beantragt. Das derzeitige rationalisierte Verfahren wird für alle anderen Fälle beibehalten.

Bundespatentgericht: Igel Plus / Igel

In einer Leitsatzentscheidung 33 W (pat) 9/09 hat das Bundespatentgericht sich insbesondere mit der Billigkeit von Kostenentscheidungen und deren Anfechtung auseinandergesetzt. Aus den Leitsätzen

  1. Die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundespatentgericht zulässig.
  2. Das Vorliegen von Gründen der Billigkeit gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist als gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vom Bundespatentgericht im Beschwerdeverfahren zu überprüfen.
  3. Für eine Kostenentscheidung zu Lasten eines Beteiligten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aus Gründen der Billigkeit bedarf es besonderer Umstände. Erforderlich ist regelmäßig ein schuldhafter Verstoß gegen die jedem Beteiligten obliegende allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht. Dieser kann vorliegen, wenn ein Beteiligter versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen.Von einer aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation kann nicht ausgegangen werden, wenn zur Zeit der Verfahrenseinleitung keine einheitliche Rechtsprechung existiert oder wenn es Entscheidungen zugunsten des unterliegenden Beteiligten gibt, mögen diese auch erst während des Verfahrens getroffen worden sein.

    Im vorliegenden Verfahren ist die Rechtslage komplex und es gibt Entscheidungen zugunsten der Widersprechenden, so dass es unbillig wäre, dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

  4. Die Entscheidung über eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG darf nicht pauschal erfolgen. Deshalb sind auch bei erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerden sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen.Wenn der in der Hauptsache obsiegende Beteiligte lediglich im Hinblick auf die isolierte Kostenbeschwerde unterliegt, kann eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG unbillig sein, so dass gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 MarkenG jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat.
  5. Bei einer erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerde kann es gerechtfertigt sein, die Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG zurückzuzahlen.

EPO, T 0528/07- computer system for providing a B2B-relationship portal

T 0528/07, 27 April 2010 – computer system for providing a B2B-relationship portal

Aus der Entscheidungsbegründung (zu Art. 52 (2) d) EPÜ):

Two different interpretations of decision T 115/85 exist in the jurisprudence: either the visual indications must concern technical conditions of the system in order to relate to a technical problem (T 833/91), or they may also concern non-technical conditions (T 717/05).

The present Board will follow the more restrictive approach according to which only technical conditions of a system can be taken into account. This line has also been taken in other decisions of the Boards of Appeal (see eg T 790/92, point 4.6; T 953/94, point 3.1; T 1161/04, point 4.5; T 1567/05, point 3.7; T 756/06, point 13). Moreover, the clear character of exception of this approach appears to be more consistent with the exclusion of „presentations of information“ pursuant to Article 52(2)(d) EPC.

The present Board will therefore regard features that indicate non-technical conditions of the claimed system, such as data relating to a business undertaking, as not contributing to an inventive step.

Urheberrecht: Gema vs YouTube

Sowohl sueddeutsche.de also auch heise.de berichten über den Streit zwischen dem Musikrechteverwerter GEMA und YouTube. Hintergrund ist, dass sich die GEMA und YouTube bzw. der Inhaber Google nicht auf ein Vergütungsmodell einigen können. Leidtragende dabei sind dabei die Künstler, deren Werke bei YouTube veröffentlicht werden und die momentan keine einzigen Cent an Vergütung für die Nutzung ihrer Werke erhalten.

In dem schwelenden Rechtsstreit zwischen YouTube und GEMA hat die GEMA versucht, ihre Position durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stärken, womit sie allerdings gescheitert ist. Außerdem hat sich das französische Pendant zur GEMA, Sacem genannt, mit YouTube über ein Vergütungsmodell geinigt. Allerdings nur für Frankreich und nicht für Deutschland, weswegen Sacem an der deutschen gerichtlichen Auseinandersetzung ebenfalls beteiligt ist.

Es bleibt abzuwarten, wer am Ende als Gewinner aus dieser Auseinandersetzung hervorgeht – auf die Künstler würde ich dabei allerdings nicht wetten.

Anhängigkeit einer EP-Anmeldung – G 1/09

In der noch nicht veröffentlichten Entscheidung G 1/09 (hier verfügbar), hat die große Beschwerdekammer entschieden, dass eine in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesene EP-Anmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig ist. Damit kann auch eine Teilanmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist der zurückgewiesenen Anmeldung eingereicht werden – ohne, dass es einer Einlegung einer Beschwerde bedarf.

In Kürze folgt hier eine genauere Analyse der Entscheidung.