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Brexit – Vertretungsbefugnis von Anwälten aus dem Vereinigten Königreich

Ein englischer Kollege hat in einem Blog sein Bedauern über die möglichen Auswirkungen der Brexit-Abstimmung verkürzt dahingehend zum Ausdruck gebracht, dass es nunmehr leider keine Anwälte aus dem Vereinigten Königreich vor dem Einheitlichen Patentgericht geben wird. Aus diesem Anlass folgt hier eine Übersicht, wie sich nach der derzeitigen Gesetzeslage ein Vollzug des EU-Austritts auf die Vertretungsbefugnis von Kollegen aus dem Vereinigten Königreich im gewerblichen Rechtsschutz auswirken würde – wodurch auch gezeigt wird, dass die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen nicht notwendig richtig sein muss.

Vertretung vor dem EUIPO – Unionsmarke: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 93 UMV Rechtsanwälte, die in einem der Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassen sind und einen Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben. Darüber hinaus vertretungsberechtigt sind die in die Liste der Vertreter beim EUIPO eingetragenen UK Trademark Attorneys. Die Voraussetzungen für die Eintragung in diese Liste beinhalten die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums und einen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im Europäischen Wirtschaftsraum. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr im Europäischen Wirtschaftsraum hat (Regel 78 UMDV).

Somit wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich weiter in Markenangelegenheiten vor dem EUIPO vertretungsbefugt, sofern das Vereinigte Königreich nach Vollzug des EU-Austritts im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt. Würde das Vereinigte Königreich nicht im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben, wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich vorbehaltlich noch zu treffender abweichender Regelungen auch nicht mehr in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO vertretungsbefugt. Übrigens wurden die Regelungen zur Vertretung in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO erst mit der Änderungsverordnung EU 2015/2424 vom24.12.2015 dahingehend geändert, dass Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum ausreichen. Nach der GMV war noch Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in der EU erforderlich.

Vertretung vor dem EUIPO – Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 78 GGV Rechtsanwälte, die in ein EU-Mitgliedsstaat zugelassen sind und einen Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben. Vorbehaltlich abweichender Regelungen, die bei Neufassung der GGV oder im Rahmen der Austrittsverhandlungen getroffen werden könnten, würden Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich mit Vollzug des EU-Austritts die Vertretungsberechtigung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO verlieren. Darüber hinaus sind die in die Liste für Vertreter in Unionsmarkensachen eingetragene Vertreter auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt (siehe hierzu oben). Darüber hinaus sind die in die Liste der Vertreter eingetragene UK Design Attorneys vertretungsberechtigt, wobei Voraussetzung für die Eintragung die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats und ein Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem EU-Mitgliedsstaats sind. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter für Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen am EUIPO wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr in einem EU-Mitgliedsstaat hat (Regel 64 GGMDV).

Somit wären – nach derzeitiger Rechtslage – Rechtsanwälte und Design Attorneys aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO vertretungsberechtigt, sobald der EU-Austritt des Vereinigte Königreichs vollzogen ist. Es wäre allerdings zu erwarten, dass bei der anstehenden Änderung der GGV die Regelungen zur Vertretung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen ähnlich wie in der neuen UMV geändert werden. Möglich bleibt darüber hinaus auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen die Vertretung durch UK Trademark Attorneys, die nach Art. 93 UMV in die Liste der Vertreter vor dem EUIPO eingetragen sind, falls denn das Vereinigte Königreich im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt.

Europäisches Patentamt: Es wird keine Änderungen geben. Die Anwälte aus dem Vereinigten Königreich bleiben auch nach einem etwaigen Vollzug des EU-Austritts vertretungsberechtigt.

Einheitliches Patentgericht: Bei der Vertretung durch Rechtsanwälte knüpft Art. 48 Abs. 1 EPGÜ an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Vereinigte Königreich aufgrund des Gutachtens des EuGH 1/09 kein Vertragsmitgliedstaats des EPGÜ sein kann, falls der EU-Austritt vollzogen wird (a.A.: Tilmann: „A possible way for a non-EU UK to participate in the Unitary Patent and Unified Patent Court?“). Rechtsanwälte, die nur bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs zugelassen sind, nicht aber auch vor einem Gericht eines anderen EU-Mitgliedsstaats, wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt.

Anders ist die Lage bei Patentanwälten. Vertretungsberechtigt sind nach Art. 48 Abs. 2 EPGÜ Europäische Patentanwälte, die die erforderliche Qualifikation, beispielsweise das Patent Litigation Certificate, besitzen. Selbst wenn die derzeit recht umfassende Liste von Kursen im Entwurf für die Regelungen über das European Patent Litigation Certificate, die derzeit für die Übergangsregelung auch zahlreiche von Institutionen des Vereinigten Königreichs angebotene Kurse anführt, noch einmal geändert werden würde, stünde es einem Europäischen Patentanwalt mit britischer Staatsangehörigkeit oder britischem Geschäftssitz immer noch frei, das Patent Litigation Certificate zu erwerben. Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten also auch nach einem Vollzug des EU-Austritts die Vertretung vor dem EPG ausüben. Die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen erscheint also nicht zutreffend, selbst wenn der EU-Austritt vollzogen werden würde. Wahr ist allerdings, dass die Zukunft des EPG insgesamt und insbesondere der Zeitrahmen zur Realisierung des EPG durch die Brexit-Abstimmung recht ungewiss geworden sind.

Fazit:
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Unionsmarkensachen knüpft an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraums an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten auch nach einem etwaigen EU-Austritt vertretungsberechtigt bleiben, wenn das Vereinigten Königreich im Europäischen Wirtschaftsraums bleibt.
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen knüpft – derzeit – an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat an an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich wären nach einem etwaigen EU-Austritt nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt, außer sie sind auch in die Liste der Vertreter für Unionsmarkensachen eingetragen.
– Die Vertretung vor dem EPG knüpft für Rechtsanwälte an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt, wenn das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt kein Vertragsmitgliedstaats mehr sein kann. Andererseits könnten Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich als Vertreter vor dem EPG wirken, sofern sie ein European Patent Litigation Certificate oder eine äquivalente Qualifikation besitzen.