Schlagwort: Schadensersatz

Einheitspatent und Übersetzungsvorschriften

Mit den Übersetzungsregelungen für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung „sollte der Zugang zum Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung und zum Patentsystem insgesamt leichter, kostengünstiger und rechtssicher gestaltet werden“ (ErwG (5) VO (EU) Nr. 1260/2012. Während eines Übergangszeitraums mit einer Dauer von wenigstens sechs Jahren muss nur noch eine Übersetzung der Patentschrift eingereicht werden (Art. 6 VO (EU) Nr. 1260/2012). Nach dem Übergangszeitraum muss keine Übersetzung mehr eingereicht werden.

Die von der Politik geschürten Erwartung, Übersetzungskosten würden im Übergangszeitraum reduziert und anschließend vollständig vermieden werden, beruht jedoch auf einem Trugschluss. Abgesehen davon, dass im Streitfall Übersetzungen angefertigt werden müssen (Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1260/2012) enthält die Übersetzungs-VO in Art. 4 Abs. 4 eine Regelung zum Gutglaubensschutz eines Patentverletzers, der aus dem Fehlen einer Übersetzung resultiert. Nach Art. 4 Abs. 4 VO (EU) Nr. 1260/2012 gilt:

Art. 4 (4) Im Falle eines Rechtsstreits bezüglich einer Forderung nach Schadenersatz zieht das angerufene Gericht, insbesondere wenn der mutmaßliche Patentrechtsverletzer (sic!) ein KMU … ist, in Betracht und beurteilt, ob der mutmaßliche Patentrechtsverletzer (sic!), bevor ihm die Übersetzung gemäß Absatz 1 vorgelegt wurde, nicht gewusst hat oder nach vernünftigem Ermessen nicht wissen konnte, dass er das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung verletzt hat.

Der Verzicht auf Übersetzungen eröffnet eine für den Patentverletzer streitende Einwendung, die sich auf den Schadensersatzanspruch des Patentinhabers auswirken kann. Diese ist auch nicht auf KMUs, natürlich Personen, Forschungsinstitutionen und Hochschulen als Patentverletzer beschränkt. So wird in ErwG (9) VO (EU) Nr. 1260/2012 ausgeführt:

ErwG (9) Im Falle eines Rechtsstreits bezüglich der Forderung nach Schadenersatz sollte das angerufene Gericht in Betracht ziehen, dass der mutmaßliche Patentrechtsverletzer, bevor ihm eine Übersetzung in seine eigene Sprache vorgelegt wurde, in gutem Glauben gehandelt haben könnte und möglicherweise nicht gewusst hat oder nach vernünftigem Ermessen nicht wissen konnte, dass er das Patent verletzt hat. Das zuständige Gericht sollte die Umstände im Einzelfall beurteilen und unter anderem berücksichtigen, ob es sich bei dem mutmaßlichen Patentrechtsverletzer um ein KMU handelt, das nur auf lokaler Ebene tätig ist, die Verfahrenssprache vor dem EPA sowie — während des Übergangszeitraums — die zusammen mit dem Antrag auf einheitliche Wirkung vorgelegte Übersetzung berücksichtigen.

In der Literatur ist derzeit weithin die Empfehlung zu lesen, aus Kostengründen könnte die im Übergangszeitraum nach Art. 6 Abs. 1 lit. b VO (EU) Nr. 1260/2012 benötigte Übersetzung in Spanisch oder Italienisch eingereicht werden, die auch bei der Validierung des Patents in den an der verstärkten Zusammenarbeit nicht teilnehmenden Staaten verwendet werden kann. Im Hinblick auf den Gutglaubensschutz des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) Nr. 1260/2012 sollte jedoch bei der Wahl der Sprache, in die die Patentschrift eines in englischer Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents übersetzt wird, auch berücksichtigt werden, in welchen Staaten mögliche Patentverletzer ihren Sitz haben, um nicht mit der Einwendung des Gutglaubensschutzes aufgrund fehlender Übersetzung konfrontiert zu werden.